… nicht erst seit letztem Freitag aber jetzt sieht es noch einmal viel dunkler darin aus.
Natürlich habe ich Angst vor einem Terroranschlag in Deutschland – aber das alleine ist es nicht. Es ist die Angst vor der Spirale des Hasses und der Gewalt, die wir gerade weltweit erleben – vermischt mit dem Zuwachs an rechtem Gedankengut in Europa. Die Angst, dass etwas noch viel unheilvolleres auf uns zu kommt.
Paralysiert schaue ich der Zeitgeschichte zu und möchte kein Teil dieser Welt mehr sein, in der Bösartigkeit gerade so viel Platz einnimmt. Und das obwohl ich (noch?) an einem der behütesten Plätze überhaupt lebe. Die Anschläge von Paris erschüttern uns zutiefst – wohlwissend, dass es Orte auf dieser Welt gibt, wo so etwas täglich in noch schlimmeren Dimensionen passiert.
Dass mögliche Terroranschläge spätestens seit 9/11 zu unserem Alltagsrisiko gehören ist die eine Sache. Dass Angst, Hass und Aggressionen sowie Planlosigkeit was Lösungen angesichts der humanitären Katastrophe vor unserer Hasutüre angeht, gerade in Medien, Politik und Gesellschaft verstärkt eine Rolle spielen die andere – eine Spirale, so scheint es, die gerade ständig befeuert wird.
Jeder bekundet Solidarität und ist schockiert. Und dennoch fragen sich die Menschen verstärkt wer sind „wir“ und wer gehört dazu? Wer ist mein „wir“? Sind das die Deutschen und die anderen? „Die“ sind der IS – Aber sind „die“ auch die Flüchtlinge? Mein persönliches „wir“ sind alle die, die in Freiheit leben wollen und Menschenrechte als höchstes Gut ansehen – auch die, die zu uns kommen, weil sie das in ihrem Zuhause nicht können und dürfen. Und „die“ sind diejenigen, die es nicht ertragen, dass Menschen frei leben.
Aber müssen wir deswegen einen Kampf der Lebensweisen ausfechten? Wenn „die“ in einem mittelalterlichen, menschenfeindlichen System leben möchten, sollen sie das doch bitte tun. Aber uns in Ruhe lassen. Und alle, die da nicht mitmachen wollen. Da gehören auch Muslime dazu. Das dürfen wir nicht vergessen. Aber warum geht das nicht? Dass man sich in Ruhe lässt? Mein Herz weint und hat Angst. Und wieder bin ich einmal mehr enttäuscht von der Spezies Mensch. Die Menschheit hat nichts gelernt und das macht mich traurig.
Aus Traurigkeit und Verzweiflung sind schon in der Vergangenheit Ideologien und Religionen entstanden, eigentlich mit dem Willen, eine bessere Zukunft für die Menschheit zu erschaffen. Und genau diese werden schon seit genau so langer Zeit permanent vom Bösen missbraucht. Beziehungsweise sollte die Menschheit doch mittlerweile wissen, dass eine Ideologie nie in der Realität funktioniert.
Nächstenliebe, Respekt und Toleranz sind eigentlich der Grundsatz von allen Religionen – und doch klappt es nicht, harmonisch auf der Welt zusammen zu leben. Fast alle Menschen möchten doch seit Anbeginn der Geschichte in Wohlstand und Frieden ihr Leben führen. Einer Arbeit nachgehen und ihre Liebsten wohlbehalten um sich haben. Und obwohl die Menschen sich das seit ihrer Existenz wünschen, scheint mir dieses Ziel so fern wie schon lang nicht mehr. Auch wenn ich – wie die meisten Menschen in unserem Land – in meiner Lebensrealität dieses Ziel bereits jetzt erleben darf, kann ich mich gerade nicht mehr daran erfreuen.
Denn früher dachte ich einmal naiv, der kalte Krieg ist vorbei – jetzt muss die Weltgemeinschaft „nur“ noch daran arbeiten, dass immer mehr Menschen in Wohlstand und Bildung leben dürfen. Abgesehen davon, dass dieser Wohlstand auch systematisch unseren Planeten zerstört und wir unsere Kräfte und Intelligenz doch eigentlich für diese Lösungen bräuchten und bündeln sollten. Gerade scheint es mir, als müsse unsere westliche Welt das Erreichte verteidigen, anstatt Gutes zu verbreiten. Ich möchte nicht glauben, dass das nur mit noch mehr Gewalt, Hass und Bomben funktionieren kann!
Ich habe am Samstag morgen dieses Zitat von Martin Luther King in meinem Instagram-Feed gesehen – und es dann selbst auf Facebook geteilt. Weil es das einzige ist, das sich für mich gerade sinnvoll anfühlt. Und trotz aller Angst, Enttäuschung und Wut an der Menschheit möchte ich in meinem kleinen Leben mehr denn je versuchen diese Werte zu leben:
Ich möchte Aggression gegen Offenheit tauschen
Wut gegen Vernunft
Angst gegen Mut
Ich möchte den Hass nicht in mein Herz wachsen lassen – und Nächstenliebe leben.
Ich werde weiterhin auf Konzerte gehen, die Welt bereisen und auf der Wiesn fröhlich feiern – die Angst vor einem Terroranschlag soll meine Art freiheitlich zu leben nicht verändern – denn dann haben sie gewonnen. Rechtes Gedankengut und Menschenfeindlichkeit hat auch weiterhin keinen Platz bei mir. Denn das ist nicht die Lösung, sondern dreht die Spirale nur in die falsche Richtung weiter. Wer jetzt Asylantenheime anzündet und Montags mit Pegida marschiert hat doch genau das erreicht, was der IS will.
Das ist das, was gerade in meiner Macht steht, um die Düsternis aus meinem Herzen zu vertreiben und mir Zuversicht gibt. Was mir hilft, sich der Angst zu stellen, diese Woche wieder neu ans Werk zu gehen und mein Leben und den Alltag weiter zu leben, mich über kleines und großes freuen zu können. Nicht so, als wäre nichts gewesen. Aber deswegen. Ich will das Leben und unsere freiheitliche Lebensweise wieder einmal mehr bewusst genießen, sie bejahen und hoffen, dass sie uns noch lange erhalten bleibt! Damit die Angst nicht größer sondern kleiner wird.
Dazu passt ein weiterer Spruch, der vielleicht etwas abgedroschen ist – aber doch Hoffnung gibt: Wenn viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, viele kleine Dinge tun – dann können sie die Welt verändern. Auch zum Guten. Damit das Wort „Menschlichkeit“ seine positive Bedeutung behalten kann.
<3
Danke für diesen Artikel! Ich kann sehr gut nachvollziehen, wie du dich fühlst, mir geht es ähnlich. Leider ist die Rhetorik von „Hass gegen Hass bringt Hass hervor“ oftmals sehr einfach gestrickt, da bin ich irgendwie zu sehr Realistin: Mit Liebe und Freundlichkeit ist den Leuten in Syrien oder Afghanistan nicht geholfen, sondern da ist leider auch Militärgewalt nötig. Auch, wenn das bedeutet, dass es eventuell als „Antwort“ weitere Anschläge in Europa oder anderswo geben wird. Und ähnlich lassen sich rechtspopulistische Äußerungen oder sogar rechtsextreme Gewaltverbrechen nicht mit einem Lächeln kontern bzw. verhindern…
Danke für deinen Kommentar. Natürlich ist die Polemik einfach gestrickt, da gebe ich dir recht. Auch sind die ganzen Ursprünge viel zu undruchsichtig um einfach sagen zu können, wer in der Region wie schuld ist und wie die Lösung ist. Aber vielleicht klappt ja ein bisschen Feundlichkeit und Toleranz und Akzeptanz im Alltag, dass bei einigen Menschen mehr eine Integration klappt und sie nicht frustriert und gesellschafltich abgehängt in einem Suburb sitzen müssen und anfangen sich zu radikaliseren…
Du hast mal wieder sehr passende Worte gefunden.
Hier in New York ist die Angst vor einem Anschlag natürlich besonders groß. Trotzdem muss ich sagen dass ich aus mehreren Gründen froh bin hier zu sein und nicht irgendwo im amerikanischen Niemandsland. Erstens kann man hier jeden Tag sehen dass es so gut auch anders gehen kann. Die Stadt heißt nicht umsonst melting pot und es gibt hier so viele Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Religion, die ganz selbstverständlich friedlich zusammen leben. Klar ist mir bewusst dass es hier auch Konflikte gibt und es noch nicht so lange her ist dass es gefährlich war abends mit der U-Bahn aus dem Zentrum raus zu fahren oder in den Central Park zu gehen. Trotzdem, man muss nur einmal morgens zur rush hour U-Bahn fahren um einen ganzen Wagen voller Leute zu sehen die kaum unterschiedlicher sein könnten und die alle einfach nur zur Arbeit fahren und respektvoll miteinander umgehen. Zweitens sind die New Yorker sehr demokratisch gesinnt (im Sinn der Partei der Demokraten) und fangen nicht an Flüchtlinge oder Einwanderer verantwortlich zu machen (Interview mit Donald Trump: „We should register all Muslims in this country in a database and tagg them“ Journalist: „How is that different from Nazis registering Jews?“ Trump: „You tell me“), zumindest erlebe ich das bei allen New Yorkern mit denen ich zu tun habe. Und drittens verbringe ich durch das fellowship-Programm viel Zeit mit Leuten aus insgesamt 17 Ländern. Man geht abends was trinken und hat Spaß, teilt aber auch seinen Weltschmerz und allen tut es gut zu sehen dass es überall auf der Welt verteilt Gleichgesinnte gibt.
Sehr schön geschriebener Beitrag. Ich denke, dass man seine Ideale leben muss und wenn wir uns wünschen, dass diese Welt ein friedlicherer, besserer Ort wird, dann muss man danach handeln. „Du selbst musst zu der Veränderung werden, die du in der Welt sehen willst“. Den ersten Kommentar unter diesem Post kann ich nicht ganz nachvollziehen. Warum sollte man Kriege führen, aber Frieden als Antwort erwarten. Wie unzivilisiert ist es, zu denken, dass Gewalt jemals eine Lösung sein kann. Man muss immer bei sich anfangen und wenn wir schon beim „wir“ sind, dann sollte Deutschland aufhören, Waffen zu importieren. Es ist furchtbar, was in der Welt passiert, aber deswegen sollten wir nicht die Hoffnung verlieren.
Liebst, Bina
stryleTZ
Liebe Thea,
du sprichst mir aus der Seele! Ich frage mich auch oft, warum ich Teil einer solch brutalen und dunklen Welt bin. Egal wohin ich schaue, werden Tiere gequält und Menschen getötet. Man macht sich gegenseitig das Leben schwer und zerstört die Umwelt. Klar, es gibt auch wundervolle Momente und sehr viel Positives auf dieser Welt, aber warum muss es diese dunkle Seite auch geben? Ich verstehe es nicht und ich frage mich manchmal, ob ich auf dem falschen Planeten geboren wurde. Es wäre so einfach in Frieden und Glück miteinander zu leben.
Liebe Grüße meine liebe Thea :-*
Jasmin