Reisebegegnungen // Trekking mit Zi in Sa Pa

[Achtung: Dies ist ein langer Text im Stil einer Reise-Reportage über einen Tag mit unserer Reiseführerin Zi, die einer indigenen Volksgruppe im Norden Vietnams angehört. Lesefaule und Menschen, die sich gerade in der Reiseplaung befinden, können einfach runter scrollen und unterwegs die Bilder anschauen – meine Reise-Tipps zu Sa Pa sind am Ende des Posts nochmal auf einen Blick zusammengestellt – wer das alles liest macht mir dennoch eine Freude ;-) ] Trekking in Sa Pa

Der Tag mit Zi in Sa Pa hat mich berührt. Eigentlich kommt sie gar nicht aus Sa Pa, der Stadt im Norden Vietnams, die mittlerweile von der Regierung als touristisches Trekking-Zentrum beworben und ausgebaut wird. Sie lebt in einem der zahlreichen Dörfer in der Umgebung, wo die vielen verschiedenen ethnischen Minderheiten im Grenzgebiet zu China zu Hause sind. Zi ist 28 Jahre alt und kombiniert die Tracht ihres Dorfes mit Nike Sneakern, um beim Trekking mit den Touristen bequem und lange laufen zu können. Zi ist Mutter von drei Kindern. Ihre Kinder sind aus dem gröbsten raus, sagt sie, und freut sich, dass der Staat mittlerweile eine große Schule gebaut hat, die Bildung und auch eine Betreuung für ihren Nachwuchs ermöglicht, während sie arbeiten geht.

Unser kurzer, zweitätiger Aufenthalt in Sa Pa hat mir den Fluch und Segen des Reisens ganz nah gebracht. Tourismus bringt Wohlstand – und zerstört dabei in rasender Geschwindigkeit das bestehende und ursprüngliche, weswegen man ja eigentlich dort hinreist. Aber ist es wirklich ein Teufelskreis, wenn man als Gast den Menschen dort zu einem geregelten Einkommen und Bildung verhilft? Weil wir bei unserer Wanderung mit Zi ganz unter uns waren und sie wie bei einem Mädels-Plausch ganz herzlich und offen alle unsere Fragen zu ihrem Leben beantwortet hat, hatte ich das Gefühl live dabei zu sein, bei den Veränderungen in der Region durch die Touristen. Das viel stärkere Gefühl, das meine Erinnerungen heute noch bestimmt, ist aber ein anderes: Ich durfte eine Frau meiner Generation kennenlernen, die nur aufgrund ihrer Herkunft so viel weniger Privilegien genießen darf als ich. Eine Frau, die es aber mit Intelligenz und Herzlichkeit versteht, die Zeichen der Zeit zu deuten und versucht, ihre Chancen nutzen.

Sichtlich stolz ist sie, als sie erzählt, dass nur noch drei andere Frauen aus ihrem Dorf so gut englisch sprechen, um einen Schein zum offiziellen Tourguide machen zu können. Sie kann jetzt alleine Touren mit den Gästen machen, und muss nicht wie die anderen Frauen und Mädchen, die unseren Weg kreuzen und sich uns anschließen, Armbändchen und Nippes verkaufen. Zi kann nicht lesen und schreiben, mühevoll lernt sie es gerade in einer Art Abendschule. Weil sie „nur“ ein Mädchen war, haben ihre Eltern sie nicht in die Schule geschickt. Beeindruckend, dass ihr Englisch eigentlich das beste war, dass ich bei Tourguides oder Hotelangestellten unserer ganzen Vietnam-Reise gehört habe. Zi hat sich die Sprache selbst beigebracht. In den Neunzigern, als die Touristen das authentische Leben der naturnahen Völker rund um Sapa entdeckt haben, hat sie als Dreizehnjährige anfangen, Armbändchen an Touristen zu verkaufen. Damals hat sie so viel wie möglich mit den Gästen gesprochen, um Englisch zu lernen.

Als Zi siebzehn war, waren ihre Eltern der Meinung, dass sie heiraten sollte. Weil sie schon zwei Anträge abgelehnt hatte, musste sie beim dritten Bewerber einer Ehe zustimmen. Sie ist in das Dorf ihres Mannes gezogen und lebt dort mit zusammen mit ihm, ihren Kindern und seinen Eltern in einem spartanischen Holzhaus. Dabei hatte sie Glück – wie sie erzählt, denn ihr Mann ist auch ein „Black Monk“. Frauen, die in eine andere Gemeinschaft einheiraten, verstehen dann weder die Sprache des neuen Dorfes noch wissen sie, wie die traditionelle Kleidung der jeweiligen ethnischen Gruppe genäht wird. Die offizielle vietnamesische Sprache verstehen die Menschen der Region auch eher schlecht als recht – vietnamesisch ist ein Schulfach, nicht mehr und nicht weniger. Zi hat in ihrem kleinen Holzhäuschen kaum Möbel – aber ein TV-Gerät. Auf die Frage, was sie am liebsten im Fernsehen schaut, antwortet sie: „Nachrichten, denn ich möchte etwas mitbekommen von der Welt“.

Bei unserer Wanderung durch die Natur zu ihrem Dorf liegen ständig Chips-Tüten im Gras. So etwas wie Supermärkte gibt es dort wohl erst seit ein paar Jahren. Dass man Plastik und Dosenmüll nicht einfach in die Natur schmeißt, müssen die Kids noch lernen. Ich glaube nicht, dass es eine Müllabfuhr gibt und habe wieder das zwiespältige Gefühl im Bauch. Vor den Touristen lebten die Menschen dort mehr oder weniger im Einklang mit der Natur als Selbstversorger.

Jede Familie bewirtschaftet Reisterrassen und hat mehrere Tiere. Die Frauen haben sich um die Kinder gekümmert, aus Hanffasern Kleidung hergestellt oder sind mit ihren Weidenkörben auf dem Rücken nach Sa Pa zum Markt gelaufen. Die Männer sind für die Landwirtschaft zuständig. Seit der Nachtzug, der in der nahe gelegenen Grenzstadt La Cai jeden morgen aus Hanoi anrollt, immer mehr wanderfreudige Touristen ausspuckt, haben die Frauen die lukrativen Einkünfte als Verkäuferinnen und Tour-Guides entdeckt und weiter entwickelt, während die Männer in ihrer Rolle als Versorger in den Hintergrund gedrängt werden.

Zi freut sich über ihr Einkommen und investiert in den Ausbau ihres Hauses – sie möchte ein Bad mit fließendem Wasser und Toilette, damit sie eine Art „Homestay“ für Touristen anbieten kann. In ihrem Dorf gibt es bis jetzt nur die Trekking-Touristen, die abends wieder in ihre Hotels nach Sa Pa zurück gehen. Auf den bekannteren Touri-Pfaden gibt es in den Dörfern mittlerweile wohl schon Souvenirshops und eine industrielle Produktion der Waren. Für die reicheren Vietnamesen, die wegen des frischen Klimas und nicht zum Trekking nach Sa Pa kommen, ist wohl auch eine Gondel auf den höchsten Berg hinauf in Arbeit.  Ich weiß nicht, wie meine Meinung dazu sein soll.

Das große Geld mit den Gästen, die ja eigentlich wegen der ethnischen Volksgruppen und der Natur kommen, machen die Reiseagenturen in Hanoi und Hoteliers in Sa Pa, die eine große Provision für die Buchung der Guides einstecken. Als Zi uns erzählt, wie wenig sie für unseren Trip bekommt, sind wir erschrocken. Mit einem verschmitzten Lächeln zückt sie später ihr Smartphone und erklärt uns, dass sie aber auch eine zweite, eigene Nummer hat, für direkte Buchungen. Wenn wir jemanden kennen, sollen wir sie doch empfehlen. Und das mache ich hiermit auch. Also, falls ihr eine Vietnam-Reise plant: Eine Tour, die ihr bei Zi direkt bucht, ist billiger für euch und sie bekommt mehr Lohn für die gleiche Arbeit, als wenn ihr euch einen Guide vom Hotel buchen lasst – oder ihr euch am Markt in Sa Pa mit Scharen konkurrierender Frauen auseinander setzen müsst. Wenn ihr wanderfreudig seid, zeigt sie gerne Routen abseits des Touristen-Troubels. Da sie nicht schreiben kann, ruft sie direkt auf dem Handy an ( +84 1652161586) , wenn ihr in Vietnam seid, bevor ihr euren Sa Pa Trip plant und macht einen Treffpunkt mit ihr aus. Ich habe sie schon zwei verschiedenen Freunden empfohlen und es hat immer gut geklappt.

Was soll man den Menschen dort jetzt wünschen? Ich wünsche ihnen wirtschaftlichen Erfolg ohne sich selbst zu verlieren. Ich wünsche ihnen weiterhin einen großen Zusammenhalt in ihren Dörfen ohne zu großen Neid und Missgunst. Ich wünsche ihnen Bildung und jemanden, der ihnen zeigt, dass es auch Ökotourismus gibt und wie der funktioniert. Ich wünsche Ihnen viele Gäste, die sie freundschaftlich begrüßen können, ohne eine zu große Touri-Abzocke zu etablieren. Ich wünsche ihnen Wohlstand und dass sie die Achtung vor der Natur nicht verlieren. Ich wünsche allen Gästen, die dorthin kommen, so ein schönes Erlebnis mit den Menschen dort, wie wir es mit Zi hatten. Ich weiß, dass das eher utopisch als realistisch ist. Aber wünschen darf man sich alles.

So – wie versprochen hier noch meine Reisetipps, kurz und knackig:

Anreise:
Nachtzug in VietnamDie meisten planen ihre Ausflüge in Nordvietnam von Hanoi aus – so auch wir. Reiseagenturen verkaufen das Gesamtpaket mit Anreise, Unterkunft und Guide. Man kann sich alles aber auch selbst organisieren. Typisch ist die Reise mit dem Nachtzug. Hier gibt es verschiedene Kategorien, wenn man in der besten Kategorie eine Kabine für sich möchte, ist es nicht gerade billig. Es gibt aber auch eine neue Schnellstraße. (Wussten wir nicht – wird irgendwie auch nicht beworben und steht noch nicht im Reiseführer). Nachdem wir wirklich gerädert aus dem Zug gestiegen sind, hier ein Tipp, wie es Freunde gemacht haben: Fragt bei euch im Hotel in Hanoi nach dem Bus. Der fährt günstig und weitaus schneller und komfortabler als der Zug. Wenn ihr mehr als zwei Personen seid, kann es sich auch lohnen ein privates Taxi/Fahrer (ca. 60 USD) zu organisieren.

Unterkunft:
Sa pa GardenDie Stadt Sa Pa selbst ist voll mit Hotels und Unterkünften. Wem der Trubel zu viel ist, dem kann ich das schöne BnB „Sa Pa Garden“ etwas außerhalb empfehlen. Besitzer Nam, den man nie persönlich trifft, ist sehr freundlich und auch geschäftstüchtig. Das heißt er organisiert einem per Mail von Zugtickets bis Guide alles. Das heißt aber auch, er bekommt für alles eine Provision. Seine Eltern führen das BnB, das einen tollen Garten hat, liebevoll und sind tolle Gastgeber. Wenn man möchte, kann man neben dem Frühstück auch von Nams Mutter ein Abendessen machen lassen – das war einfach nur köstlich. Über Nam haben wir auch Zi vermittelt bekommen. Aber wie gesagt, bucht sie lieber direkt, genauso wie die Anreise.

Guide Zi:
Wie gesagt haben wir Zi über die Unterkunft gebucht. Freunde, die nach mir in Vietnam waren, haben sie einfach von Hanoi aus angerufen (oder es von der Rezeption aus machen lassen) und einen Treffpunkt in Sa Pa vereinbart. Ich habe gehört, dass man mit ihr ein bisschen den Preis verhandeln kann – meine Freunde haben für eine Tagestour mit ihr 30$ gezahlt. Dafür war sie mit ihnen auch in Sa Pa beim Markt einkaufen und hat sie in ihrem Haus bekocht – was uns leider nicht vergönnt war, da wir ein Lunch-Paket vom Hotel mitbekommen hatten. Ihre Nummer ist: +84 1652161586 und sie hat auch ein Facebook-Profil. Da sie aber nicht schreiben kann, checkt sie es nicht regelmäßig, und lässt es sich von Touristen vorlesen. Gerade deshalb habe ich mich total über ihre Nachricht gefreut, die sie mir – mit Hilfe meines Arbeitskollegen – geschrieben hat, der über meine Empfehlung eine Tour mit ihr gemacht hatte.

Zi FacebookWenn ihr noch Fragen habt oder Reisetipps zu Sa Pa und Vietnam braucht, schreibt mir gerne einen Kommentar – meinen Blogpost mit allgemeinen Reiseinformationen zu Vietnam findet ihr hier.

P.S. Falls jemand aufgrund meiner Tipps Zi angerufen und einen Tag mit ihr verbracht hat, würde ich mich sehr über einen Kommentar/Mail freuen – und richtet ihr Grüße aus!

Diesen Artikel möchte ich nachträglich noch zu Marens Aktion „Blogger denken nach“ einsenden, denn im Juni heißt das Thema: „Nachhaltig reisen – nur wie und wohin?“Und ich denke meine Gedanken zu den Veränderungen durch den Tourismus in der Region passen da auch ganz gut dazu ,-)